Hannelore Fehse: ,einfach‘ – Albhäuser und Sommerfelder
Museum für bildende Kunst im Landkreis Neu-Ulm

Zentrales Motiv der Gemälde Hannelore Fehses sind Bauernhäuser, Scheunen und Ställe auf der Schwäbischen Alb. Die schlichten Bauten bieten ihr bereits seit über 25 Jahren einen schier unendlichen Bildfundus, der sie immer wieder aufs Neue fasziniert und inspiriert. Schon beim ersten Blick durch die Ausstellung im Museum für bildende Kunst im Landkreis Neu-Ulm wird klar, dass Fehse jedoch kein Interesse daran hat, Ortschaften wie Oberböhringen, Temmenhausen oder Bad Ditzenbach in fotografischer Genauigkeit festzuhalten. Vielmehr destilliert sie in ihren Arbeiten die Essenz der Baukörper heraus und schärft durch die Reduktion auf das Wesentliche den Blick für die Formen, welche die Kulturlandschaft der Alb prägen.
Ein gutes Beispiel hierfür ist das großformatige Gemälde Schafstall auf der Nordalb (hinter der Information). Obwohl weder Fenster noch Türen, Zäune oder Dachziegel zu sehen sind, erkennen wir in der polygonalen, rostbraunen Form ein Dach und in den beiden darunterliegenden, sich nur in leichten Nuancen unterscheidenden weißen Vierecken die Wände des Stalls. Fehse vereinfacht die Architektur, die sie meist in Fotografien festhält, so weit, dass sie fast schon an abstrakte Farbfeldmalerei erinnern, jedoch nicht so weit, dass sie ungegenständlich würden. Es ist eine malerische Gradwanderung, deren Ergebnis die Schönheit des Einfachen und Zweckmäßigen unterstreicht.
Obwohl die gebürtige Uckermärkerin sich formal auf die Bauten der Alb fokussiert, sind diese jedoch nicht referenzlos, sondern stehen immer in Relation zur Landschaft und den unterschiedlichen Jahres- und Tageszeiten. Dies wird vor allem bei den Winterbildern deutlich. Großmannshof bei Oberdrackenstein (neben dem Eingang) illustriert beispielsweise, wie die Farben der Albhäuser sich ändern, wenn sie eingeschneit sind. Der Horizont trennt fast bildmittig den grauen Himmel von der weißen Erde, in der die geduckt wirkenden Dächer der drei Häuser beinahe zu verschwinden scheinen, während die dunklen Wände sich scharfkantig davon absetzen.
Wie stark die Farbe die Atmosphäre der gezeigten Orte ändert, zeigt sich im direkten Vergleich mit Oberböhringen (Raum 1), bei dem ein strahlendes, sattes Blau eine sommerliche Stimmung aufkommen lässt. Hier staffelt Fehse einzelne Bauten hintereinander in den Bildgrund, wobei die Parallelogramme der Dächer immer schmaler werden. Das breite, aber matte Farbspektrum der Wände macht die Unterschiedlichkeit der Einzelkörper sichtbar. Die Anordnung der Häuser ist hier keine Erfindung der Malerin. Tatsächlich könnte man mit dem Gemälde nach Oberböhringen fahren und mit etwas Spürsinn eben jene Aussicht, der man vermutlich ansonsten keine Aufmerksamkeit geschenkt hätte, entdecken. Wie lange das noch möglich ist, ist eine andere Frage. In Zeiten, in denen moderne Neubauten mit pflegeleichten Kiesgärten und riesigen Garagen auch die hintersten Ecken des Landes erreichen, verschwinden auch viele der alten, charaktervollen Gebäude und mit ihnen die Geisteshaltung, die dahinter steht: Konzentration auf das Wesentliche, Einfachheit und Bescheidenheit.
Dass es bei Fehse nicht immer geometrisch zugehen muss und die Alb alles andere als karg ist, zeigen ihre sommerlichen Landschaftsgemälde. Sommer auf der Alb I und III sowie Landschaft Kornblumenfeld sind in leichtem, impressionistischem Duktus gemalt und zeigen die Bewegungen der Kornfelder im sommerlichen Wind. Dabei strahlen die Bilder eine warme Ruhe aus, die auch in der kalten Jahreszeit sehr wohltuend sein kann. Dass gerade im Coronajahr 2020 die Landschaft wieder in den Fokus Fehses rückt, mag kein Zufall sein. Denn nur selten haben wir die Chance, die warmen Sonnenstrahlen draußen zu genießen, so intensiv erlebt und nur selten die Schönheit der Heimat stärker wiederentdeckt wie in diesem Jahr. Genau die zeigt uns auch Hannelore Fehse in all ihren Bildern.

Marco Hompes