Dr. Bork

Alles Liebliche, Kleinteilige liegt dieser Malerei fern. Stattdessen werden Massen auf ihr
bildnerisches Potential hin untersucht. Und so ist auch der Blick, den die Malerin
auf menschliche Behausungen richtet, einer, der die große Form sucht….

Auf Hannelore Fehse üben die massiven, alten Bauernhäuser (der Schwäbischen Alb) eine
große Faszination aus. Hier ist alles, um das Auskommen zu sichern und dem Klima zu
trotzen, durch eine rationelle Art auf das Notwendig-Sinnvolle, das
Sparsam-Vernünftige ausgerichtet.

Die Qualität des Sparsamen, des auf das Wesentliche Reduzierten macht auch den
Stellenwert von Hannelore Fehses Architekturgemälden aus. Der Weg dorthin glich einer
Wanderung, in der sie überflüssiges Gepäck hinter sich ließ. Schon der Bildausschnitt ist oft
so eng gewählt, dass nichts mehr ablenkt. Die Gebäude – Wohnhaus, Ställe und Scheunen –
füllen das Bildformat. Keine Schnörkel lenken ab, keine Fensterläden und Blumenkästen
stiften ländliche Folklore. Klar und offen bietet sich die Architektur dar….

Was auf der einen Seite eine Einbuße an Glanz, Beweglichkeit und Farbenfreude bedeutet,
erzeugt auf der anderen Seite eine Konzentration, ein Verinnerlichendes Zutun, das um das
Wesen der Dinge ringt. Der Baukörper wird noch stärker abstrahiert, die großen dunklen
Flächen der tief gezogenen Satteldächer stoßen auf die hellen Mauerflächen darunter,
schließen sich zu konstruktiven Gebilden zusammen (Abb. 10). Das Formenmaterial,
solcherart miteinander verfugt, zeitigt einen Verbund aus Flächen, der, kompakt ineinander
verschoben, die Raumtiefe zugunsten einer bildnerischen Dichte aufgibt. Gleichwohl scheint
dies keine endgültige Festschreibung zu sein. Das Durchscheinen darunter liegender
Farbschichten lässt die Bilder weiterhin pulsieren und atmen.

Es ist keine leblose Welt, auch wenn Menschen fehlen und die Augen der Häuser, die
Fenster, nur zu erahnen sind oder gänzlich fehlen. Gleichwohl steht nicht die Geborgenheit,
die ein Haus vermitteln kann, im Vordergrund, sondern seine Qualität als Schutzraum, als
Ort, wo Einkehr möglich, Konzentration und Besinnung zu erfahren sind. Der Platz, wo die
Häuser stehen, spielt hingegen keine Rolle. Das Grau des Himmels und der gleichfarbige
Grund des Bodens liegen im Irgendwo, bilden die Folie für Hannelore Fehses Meditationen
über das menschliche Bei-sich-selbst-sein.

Karen Bork, Hannelore Fehse, Eine Reise in die Tiefe der Malerei. In: Hannelore Fehse, Landschaft und Abstraktion,
Arbeiten aus den Jahren 1993 bis 2003. 2003, S. 6 f.